Jazz Pistols: Fachblatt Musikerszene 08/1999

Energie-Jazz pur

Jazz-Rock, das ist und bleibt für viele immer noch eine Frickel-Musik für Musiker, die sich austoben und Spass haben und die eigentlich – ausser Musiker – keinen so richtig interessiert. Nicht so bei den Jazz Pistols – da hat auch das Publikum Spass, wenn diese drei sich auf der Bühne profilieren.

Nachdem die Jazz Pistols mit “Three on the Floor” schon einen beachtlichen Erfolg – ohne Record Company und Vertrieb im Rücken – verzeichnen konnten wurde Lipstick Records auf sie aufmerksam. Das neue Werk des Trios ist “Three on the Moon” und damit beackert man nun die deutsche Club- und Festival-Landschaft. Die Jazz Pistols, das sind Thomas Lui Ludwig am Schlagzeug, Stefan Ivan Schäfer an der Gitarre und Christoph Victor Kaiser am Bass. Drei Idealisten, die an sich und ihre Musik glauben, in Luis´ VW Bus durch die Lande reisen und ihre Fan-Schar ständig vergrößern mit einfach gut gespielten Gigs und einem Spass an der Musik, der sofort auf´s Publikum überspringt. Wir trafen die drei in der Cavete, einem kleinen Jazz-Club in Marburg. Nachdem sie ihr Equipment in den Laden geschleppt hatten (eine Roadcrew liegt sicherlich noch in weiter Ferne) und der Soundcheck absolviert war, konnten wir unser Gespräch beginnen.

Wie seid ihr eigentlich jetzt bei Alex Merck´s Lipstick Label gelandet, der ja sogar euer erstes Album nochmals veröffentlicht hat?

LUI: Das erste Album haben wir ja noch komplett in Eigenregie gemacht, selbst produziert, finanziert und gepresst, das Layout des Booklets usw. – und über WOM noch eine Möglichkeit, CDs abzusetzen, auch ohne einen direkten Vertrieb. Hinzu kamen zahlreiche gute Rezensionen in der Fachpresse und eine erste kleine, selbst organisierte Tour.
CHRISTOPH: Damals hatten wir natürlich diverse Labels mit DATs bemustert und Alex Merck gehörte mit dazu. Ihm gefiel es, aber da er mit Matalex schon eine Band in dieser Sparte hatte, wollte er nicht so richtig. Zum Anfang 1998 dann, als er merkte, was bei uns alles lief und zudem Matalex sich etwas anders orientierte vom musikalischen her, kam er wieder auf uns zu. Er hat dann einen Gig besucht und wir haben uns auf einen Deal geeinigt, der auch das erste Album nochmals mit beinhaltete.

Ansonsten ändert sich jetzt aber nicht so viel für euch, oder?

STEFAN: Man hat weniger Arbeit, was die Band betrifft, da viele Promo-Dinge, die wir bisher selbst erledigten, nun über Lipstick laufen. Die bemustern die Sender und Magazine und kümmern sich um

solche Sachen. Zudem versuchen sie, wie wir auch, Sponsoren aufzutun für die Band.. Wir hatten z.B. im letzten Jahr eine recht positive Unterstützung von der Sound Foundation, die uns für die Tour einen VW-Bus zur Verfügung stellte, was uns natürlich schon recht war, da ein größerer Wagen gleichzeitig auch etwas mehr Komfort bedeutet. Dann kommt noch hinzu, daß wir unsere eigene Homepage haben seit einigen Monaten unter “www.jazz-pistols.de”, was schon eine durchaus positive Sache ist. Da findet man einige Infos zur Band, den Musikern, Tourdaten, Bestell-Nummern und Adressen für die CD usw. Die Sache wird gut angenommen und häufiger besucht, als wir es erwartet hatten – und bringt uns halt einiges. Für uns ist die Homepage wirklich das beste Kommunikations-Instrument überhaupt.

Ihr habt ja auch reichlich Links gelegt bei eurer Homepage?

LUI: Klar, da wir ja zum Teil recht gute Endorsements haben und auf diese Art den Firmen auch wieder etwas zurückgeben können. Es gibt auch Links zu anderen Bands und die Möglichkeit, Workshops von uns herunterzuladen, was ein weiterer Weg ist, den wir einschlagen wollen: das ganze Projekt Jazz Pistols eben auch als Workshop Act anzubieten, was ja z.B. 1998 beim Summer Camp von M&T schon recht gut lief.

Wie ist das mit den Workshops gedacht?

CHRISTOPH: Wir wollen halt nicht nur als Band bei Gigs agieren, sondern wenn möglich auch etwas von unserem Wissen vermitteln. Dazu dienen z.B. auf der Homepage einzelne Titel unserer CD´s, die Workshop-mäßig aufbereitet sind für Gitarre, Bass oder Drums. Es gibt Erläuterungen dazu usw., so daß man mit der CD auch üben kann und somit ein weiterer Effekt neben dem reinen Hörgenuss entsteht. Wenn möglich, möchten wir uns auch als Workshop Band verkaufen, z.B. für Clinics, Summer Camps usw. Beim M&T Camp lief das hervorragend – und wenn die erste Scheu gelegt ist, bringt es den Leuten etwas und uns auch, da auch wir aus solchen Dingen immer wieder lernen können. Jeder möchte doch am liebsten in einer Band spielen – und wenn man auf diese Weise noch etwas lernen kann, ist das doch mehr als positiv.

Ihr werdet ja bei Lipstick als Jazz-Rock bzw. Rock-Jazz verkauft - ein Begriff, der genauso wie Fusion mittlerweile ziemlich ausgelutscht ist und kaum noch etwas Konkretes über die Musik aussagt.

LUI: Wir nennen das Ganze ohnehin “Energy-Jazz” und Jazz bedeutet ja die Freiheit in der Musik, bei uns halt gepaart mit Power, Dynamik Lautstärke und unserer Energie. Dennoch werden wir immer in der Jazz-Rock Ecke angesiedelt, z.B. in Plattenläden. Aber nimm nur Bela Fleck, ein genialer Musiker im Jazz, der dennoch immer noch in der Sparte Country steht, obwohl er da wirklich nicht hingehört. Einen neuen Namen für unsere Stilistik zu finden, ist halt schwer und Fusion stet z.B. heute schon eher für lasche Kaufhaus-Musik. Unsere Musik ist halt nun mal ein Schmelztopf, angerührt von drei unterschiedlichen Musikern – und Lipstick obliegt das Problem, dies nun zu verkaufen. Das fällt mit der Bezeichnung “Jazz-Rock” sicherlich noch am leichtesten, wenngleich es auch nicht total auf uns zutrifft.

Wo wir dies nun geklärt hätten, wie kam es überhaupt dazu, daß ihr als Trio die Jazz Pistols gegründet habt?

LUI: Durch Zufall. Ich hatte schon immer ein Faible für den Jazz, aber nie eine Band in der Richtung. Ich war immer in Rock- oder Pop-Bands engagiert und habe mit feuchten Augen den Jazzern zugehört. Christoph und Stefan kannte ich halt vom Sehen her und sie haben mich angesprochen, ob ich nicht Lust hätte, mal so etwas im Trio auszuprobieren. Das haben wir dann getan und der Spass war sofort vorhanden. Es lief gar so gut, daß wir im Proberaum schon Demos produziert haben per Adat-Maschienen und uns so entwickelt haben als Band und als Musiker.
CHRISTOPH: Nach einem knappen Jahr haben wir schon die erste Platte fertig gehabt, eigene Stücke geschrieben und Cover von Bela Fleck und Scofield arrangiert. Stücke, die uns gefielen, haben wir einfach auf unsere Weise gespielt und so recht schnell ein Live-Programm gehabt. Hinzu kam, daß wir uns persönlich sofort gut verstanden haben, es kaum Diskussionen gab und das Projekt “Jazz Pistols” seitdem halt läuft.
LUI: Ich war zu der Zeit noch tierisch mit Auftritten der Jule Neigel Band beschäftigt und habe daher viele Dinge den beiden überlassen. Manche vertrackten Rhythmen, die bei unseren Songs entstanden, habe ich erstmal nach hinten geschoben, dann notiert und war erstaunt darüber, so etwas spielen zu können.
STEFAN: Wir versuchen ja auch, unsere Cover-Versionen möglichst weit weg vom Original zu arrangieren, was durch die Trio-Besetzung häufig von selbst passiert. Dadurch, daß Lui gerne mit krummen Takten arbeitet und Christoph durch seinen midifizierten Bass und sein Tapping schon mal Keyboard-Sounds mit ins Spiel bringt, stehen uns dennoch viele Möglichkeiten offen. Als Beispiel möchte ich hier nur mal eine Scofield Nummer nennen, die im Original “So you say” heißt und wir haben bei der Melodie ein Achtel gekürzt und das Teil “So we say” genannt.

Wie ist denn überhaupt die Akzeptanz für eine Musik wie eure?

LUI: Da kann ich nur spontan sagen: recht groß. Das Publikum will offensichtlich wieder Musiker auf der Bühne spielen sehen. Man will die Möglichkeiten eines Instrumentes gezeigt bekommen, Virtuosität zählt wieder etwas mehr als vielleicht vor einigen Jahren. Auf alle Fälle wundert es mich, wie viele Leute sich für eine solche Musik interessieren – und selbst der Jule Neigel Fan Club war ja heute da, also Leute, die eigentlich etwas ganz anderes bevorzugen, rein musikalisch betrachtet.

Wo wir schon mal beim Thema Jule sind, du bist ja schon seit Jahren kein festes Bandmitglied mehr, aber man kennt deine Vergangenheit mt Hits wie "Schatten an der Wand" usw. - über die beiden anderen weiß man da schon weitaus weniger.

STEFAN: Christoph und ich hatten einige Jahre eine Fusion Band und haben ähnliche Musik gemacht. Wir haben beide Musik studiert und versuchen eigentlich jetzt mit den Jazz Pistols erstmals, das Ganze als professionelles Projekt anzugehen. Wir geben beide Unterricht und konzentrieren uns so weit als möglich auf diese Band. Lui war im Prinzip der erste Profi in diesem Trio.
LUI: Ich hatte bei Jule einfach keinen Bock mehr auf diese “Stand By” Jobs, immer in “Hab Acht” Stellung auf den nächsten Gig oder Fernseh-Auftritt usw. warten zu müssen. Daher habe ich jetzt einige Subs, die diesen Job schon mal übernehmen und kann mich auf andere Dinge stürzen – wie eben die Jazz Pistols. Wobei auch wir eine gewachsene Band sind, seit 1995 kontinuierlich an uns arbeiten und als Christoph jetzt für sechs Monate in Berklee sein Stipendium ausgekostet hat, war das schon ein merkwürdiges Gefühl, es fehlte einem einfach etwas.

Ihr versucht als Band, das Drumherum aber auch so komplex wie möglich zu halten - oder?

STEFAN: Klar, vieles selbst zu regeln spart eben auch Kosten – und da versuchen wir schon, alles so simpel wie möglich zu gestalten. Unser Equipment ist sehr kompakt gehalten und dennoch für Clubs wie Festivals geeignet. Wir nutzen unsere Studio-Kontakte, um die Produktion gut vorzubereiten und entsprechend wenig Geld für die fertige Produktion zu brauchen oder fahren zu dritt in einem Bus zum Gig. Preiswerter geht es kaum und dennoch funktioniert es sehr gut, oder vielleicht gerade deswegen.

Ihr habt für ein Trio doch recht ansehnliches Equipment auf der Bühne und verfügt über einige gute Endorsements, die euch sicherlich hilfreich sind für eure Ziele?

CHRISTOPH: Dabei muß man sagen, daß uns die meisten Firmen schon von Anfang an unterstützt haben. JM Audio, DR-strings, QSC, Demeter, Monster Cable oder beim Lui Pearl und Sabian sind da schon extrem hilfreich. Für meine Fodera Bässe habe ich auch einen guten Preis bekommen und dennoch stehen bei uns auf der Bühne schon Summen ‘rum, über die man nicht nachdenken sollte. Auf der anderen Seite sehe ich es so, daß ich meiner Band den bestmöglichen Sound geben möchte – und das ist in meinen Augen nun mal ein Fodera Bass. Ein Graphik Designer muß auch heftig investieren, um einigermaßen gut arbeiten zu können – und in der klassischen Musik werden Summen für Instrumente ausgegeben, die in ganz anderen Sphären liegen. Die Firmen, die uns unterstützen, erhalten auch von uns so viel wie möglich zurück – und im Prinzip ist es ein Geben und Nehmen.

Was stellt ihr euch für eure Zukunft vor?

LUI: Eine gute Präsenz auf Gigs, Festivals usw. im deutschsprachigen Raum. Wir möchten möglichst viel spielen in allen Größenkategorien, vielleicht auch international, und wir wollen nach Möglichkeiten unseren Proberaum zum Studio umfunktionieren. Dadurch werden wir noch unabhängiger, was Produktionen betrifft – das hilft auch wieder in anderen Bereichen. Ich glaube, unser Können und Selbstbewußtsein reicht für eine anständige Karriere aus – und daß nicht immer nur die Amerikaner hier die großen Gigs absahnen, sondern auch deutsche Bands mal an der Reihe sind. Es gibt einige wirklich gute Bands im Jazz-Rock-Bereich und ich glaube, daß unsere Zeit reif ist. Wir möchten auch einige Gigs mitschneiden in Zukunft und vielleicht wird ein Live-Album daraus, da wir live immer noch eine Spur besser sind als im Studio, obwohl wir auch da schon nahezu live spielen, ohne Overdubs usw.. Aber das können eure Leser ja selbst feststellen, indem sie zu unseren Gigs kommen und eben die entsprechenden Infos von unserer Homepage ziehen.

Interview: Heinz Kronberger

August 1999 – Fachblatt Musikerszene

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