Concert Review: das Rind – Rüsselsheim 12/17

Treffsichere „Jazz Pistols“ im Rind
Die „Jazz Pistols“ gastieren mit energischem Jazzrock und viel Perfektion im „Rind“
Der gute alte Jazzrock, auch mal Rockjazz genannt und später zu „Fusion“ mutiert, ist eigentlich ein Kind der 1970er Jahre. Bands wie etwa „If“, Miles Davis in einer bestimmten Phase, das „Mahavishnu Orchestra“ von John McLaughlin, „Brand X“ und viele mehr waren Protagonisten dieser Stilrichtung, die beginnend in den 1960er-Jahren, eine Verbindung zwischen Rock und Jazz herstellte. Die große Blüte dieser spieltechnisch meistens exzellenten Bands waren die Mitt-1970er-Jahre, doch später zerfaserte das Genre ohne neue Impulse und wurde von neuen Entwicklungen wie dem Punkrock zur Nischenmusik degradiert.
Die „Jazz Pistols“ pflegen das Erbe des Jazzrock
Doch es gibt sie noch, die – jetzt so genannte – Fusionmusik. Seit 22 Jahren hält mit den „Jazz Pistols“ eine Band aus dem Darmstädter Raum die Fahne dieser Stilrichtung hoch. In der Besetzung wie in ihren Anfangstagen, pflegen diese drei Musiker genau diesen instrumentalen, hochkomplexen, ausgefeilten und vielschichtigen Power-Jazz-Sound. Zwar spielen die drei Musiker zum „richtig“ Geldverdienen auch mit renommierten Leuten wie Bassist Christoph Kaiser mit Jule Neigel oder Drummer Thomas Ludwig mit Chaka Khan oder Xavier Naidoo, doch kreativ ausgetobt wird sich mit den „Jazz Pistols“.
Überragende Spieltechnik
„Wir tun alles, daß die Livemusik nicht verkommt, schließlich wollen wir ja irgendwann noch das 300-jährige Bestehen der Band feiern“, postulierte Schlagzeuger Thomas Ludwig – am roten „Ludwig“-Schlagzeug (!) – und schon im Opener „Superstring“ war die Marschroute klar: Höchstes spieltechnisches Niveau, donnernde, punktgenaue Drums, lange Gitarrensoli in noch längeren Stücken und fetter Baß bestimmen das Geschehen. Oft noch ein sanfter Beginn mit ruhigem Gitarren-Intro wie im typischen „Mr. Smithers“; doch dann geht langsam, aber stetig die Post ab: die anfangs noch klaren Motive werden aufgebrochen, vertrackte Kadenzen, die verschiedensten Metren und viele Soli des exzellenten Gitarristen Stefan Ivan Schäfer bestimmen die meisten der weiteren Stücke. Gelegentlich wünscht man sich ob der ganzen Perfektion ein wenig mehr schräge Unberechenbarkeit, doch beeindruckend ist die Darbietung schon. Eine gewisse Wiederholungsgefahr ist in diesem Konzept immer gewärtig, denn zu viel Makellosigkeit vermag auch zu ermüden und die Falle der Selbstreferenz lauert schon. Mit dem – im Gegensatz zu früheren Zeiten – häufigen Einsatz einer akustischen Gitarre wird diese Gefahr jedoch vermindert und lockert die Darbietung auf.
Alle drei können alles spielen
Als fast alleiniger Melodienlieferant trägt Gitarrist Ivan Schäfer ein großes Gewicht, das er aber zumeist superb schultert. Ob Fingerpicking auf der akustischen Gitarre in „Travels“, rockige Linien wie im „aktuellen Hit“ (Thomas Ludwig) „Rocket In A Pocket“, ein wenig Samba-Flair wie in „Blues For Gordon“, er beherrscht alles. Sein Stil an der elektrischen Gitarre zeigt Einflüsse von an Lee Ritenour, Larry Carlton, Earl Klugh, Jeff Beck und auch Pat Metheny, eine perfekte „Fusion“ eben. Bassist Christoph Kaiser an seinen sechssaitigen (!) Instrumenten hat einen dicken Sound, spielt bis auf gelegentliche Funk-Impulse eher ruhig, aber exakt und wenn es sein muß, komplizierteste Läufe wie selbstverständlich. Kraftpaket und „Moderator“ Thomas Ludwig glänzt nicht nur durch diverse mehr oder weniger lustige Anekdoten, sondern vor allem mit einem wahren Powerdrumming, im Stil dem großen Dennis Chambers ähnlich.
Nach der Pause drehen sie auf
Hatte man vor der Pause noch ein wenig das Gefühl eines kleinen „Schongangs“ in der Performance, so drehten die drei nach ruhigem Beginn nach der Pause richtig auf und ließen dem „Rock-Aspekt“ in Stücken wie eben „Rocket In A Pocket“ oder „Penguin“ freien Lauf. Mit einer dann wieder elegischen Version von Chick Coreas „Spain“ als Zugabe fand dieser Abend voller Virtuosität sein schönes Ende.
Peter Schneider

Tag Cloud:

By Jazz Pistols

Leave a comment