Concert Review: Jazzclub Regensburg 09/11

Da bleibt nur eins: Die Ohren auf und durch

Das erfolgreiche Fusion-Trio Jazz-Pistols hielt im Jazzclub sein Publikum in Atem. 

REGENSBURG. Oh la la. Wenn es in der gerade begonnenen Saison so weitergeht, wie mit den Jazz-Pistols, müssen Regensburgs Jazzfans die Ohren anlegen. Das Trio aus dem südhessischen Heppenheim an der Bergstraße hat beim Jazzclub im Leeren Beutel einen – eigenartigerweise nur recht mäßig besuchten – Auftritt absolviert, bei dem die Gehörgänge richtig durchgepustet wurden. Mit der Leidenschaft eines kraftstrotzenden, zupackenden Bergmann-Teams fuhren sie ihre Instrumente – Gitarre, Bass, Schlagzeug – aus und in ein Soundgalaktikum ein, das den Zuhörern kaum eine Atempause gönnte. Einmal in den intergalaktischen Sturm zwischen Fusion, Funk und anderen musikalisch-stilistischen Zutaten hineingeraten, blieb nur noch: Ohren auf und durch. Und es lohnte sich. Mit oft abrupt schnellen Wechseln von meist ungeraden Metren, komplexen Harmonien und funkensprühenden Soli – vorrangig des vorwärtsdrängenden Gitarristen Stefan Ivan Schäfer – schufen sie eine Klangfülle und -dichte, die ihresgleichen sucht. Selbst wenn „Ivan“, wie Drummer Thomas Lui Ludwig in seiner launigen Moderation den Bandkollegen vorstellte, einmal einen balladenhaft ruhigen Einstieg für ein Vorspiel wählte, beim Hauptthema im Triospiel angelangt, durften die beifahrenden Zuhörer gleich wieder Sicherheitsgurte anlegen.

Es sind eigene Stücke, die die Pistol“ vorrangig von ihrem jüngsten Album „Superstring“ vorstellten. Ergänzt durch einige Covers von Jaco Pastorius und Chick Corea, frühen Helden der Fusionmusic. Seit Veröffentlichung in diesem Frühjahr ist die coole Produktion in den US-Charts bis auf Rang 12 gestiegen und in Deutschland für die Vierteljahresliste der deutschen Schallplattenkritik nominiert worden.

Ein Erfolg, der hart erarbeitet worden ist. Immerhin existiert die Band, die mit Christoph Victor Kaiser am sechssaitigen E-Bass einen gleichermaßen feinfühlig wie stoisch groovenden Virtuosen besitzt, seit über 16 Jahren. Dabei reichen ihre galaktischen Tentakel weit über das Retro-Genre Fusion hinaus. Für Schauspieler Uwe Ochsenknecht bildet das Trio den Kern einer krachenden Bluesrock-Band.

Krachen kann es zwar auch mal kurz und heftig bei den „Pistols“, allerdings als Ausnahme. Soundmäßig dominiert ein energiereiches, schnelles musikalisches Muskelspiel, das Grobschlächtigkeiten eher in Songtiteln wie „The Old Fart“ transportiert. Was verbal bei „Lui“ Ludwig auch mal ein wenig daneben geht, macht der Schlagzeuger mit der Bodybuilderfigur musikalisch wieder wett. Sein Spiel entspricht dem athletischen Aussehen. Hier ist ein kraftvoller Hauer am Werk, der seine Sticks hält, wie man es sich bei Homer Simpson vorstellen kann, aber dennoch um keine Feinheit, keine polyrhythmische Wendung verlegen ist. „Ivan“ dagegen tobt sich aus, lässt seine Gitarren hämmern, jaulen, wie ein Keyboard pfeifen, wie einst Pat Metheny echoen oder kurz und trocken knacken. Mit dieser pulsierenden Energie liegen die „Pistols“ manchmal näher am Rock, als am Jazz – aber was sagt das schon.

Gegen Ende des Konzertes hätte man sich auch mal weniger Jungs-kraftmeierei und leisere Sound vorstellen können. Das aber passt wohl (noch) nicht ins Selbstbild des Trios. Vielleicht hilft es, in alten Platten zu kramen und sich eines der ersten erfolgreichen Jazzrock-Trios Deutschlands, Giger-Lenz-Marron, aus fast schon historischer Warte anzuhören?

 

Von Michael Scheiner, MZ

26. September 2011

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